Matthias Gastel und die Grünen wollen „mit der Verkehrswende unsere Mobilität sichern“. So schreibt er es in einem Gastbeitrag in Zeit Online. Das, jedenfalls, ist die Überschrift.
Er führt dann fünf Punkte auf, weshalb eine Verkehrswende nötig ist: (1.) Verhaltens-/Nutzungsänderung, (2.) Klimaschutz, (3.) Flächenverbrauch, (3.b.) Lärm, (3.c.) Abgase, (4.) Ressourcenverbrauch und (5.) Arbeitsplätze.
Diesen Punkten kann man mehr oder weniger beipflichten. Danach schreibt er aber nur noch vom Umstieg von Verbrennungsmotoren auf Elektromotoren in Automobilen, also nur noch von einer einzige Maßnahme aus einem für eine Verkehrswende nötigen Katalog. Dazu noch eine, die mit den o.g. Punkten nur vereinzelt etwas zu tun hat, wie ich im Folgenden kurz aufzeige.
Zu 1.: für die Nutzung ist die Antriebsart egal.
Zu 2.: Die CO2-Bilanz für die Produktion und die Nutzung ist aktuell noch höher – langfristig mag sich das verändern – außen vor lässt er hier einen anderen wesentlichen Teil der Großen Transformation, die Energiewende bzw. konkret den Ausstieg aus der Kohlekraft.
Zu 3.a.: Autos brauchen unabhängig von der Antriebsart gleich viel Fläche (hier könnte man auf weitere Aspekte der Großen Transformation eingehen: Sharing, kleinere Fahrzeuge etc.).
Zu 3.b.: Nur in Wohngebieten und Innenstädten macht das einen Unterschied, bei höheren Geschwindigkeiten sind Fahrtwind und Reifen lauter als die Verbrennungsmotoren (hochdrehende Motorräder ausgenommen).
Zu 3.c.: Feinstaub von Reifenabrieb wird bleiben.
Zu Punkt 3.d., den ich hier mit Verkehrssicherheit/Unfällen ergänze, gibt es auch keinen Unterschied in Bezug auf die Antriebsart – Verkehrsteilnehmer werden weiterhin auf dieselbe grausame Art verletzt und getötet.
Zu 4.: Auf Erdöl, das verbrannt wird, bezogen stimmt das – aber auch für die Produktion von Autos wird nach wie vor Erdöl verwendet, außerdem ist Erdöl nicht die einzige Ressource – insb. seltene Erden sind eben nur in geringen Mengen verfügbar und deren Extraktion und Verarbeitung verbraucht sehr viel Energie. Aber ein bis zwei Tonnen Stahl in Bewegung zu setzen, um zehn Brötchen und ne Packung Kippen zu holen oder das Kind in den Kindergarten zu fahren, ist unabhängig von der Antriebsart schlicht wahnsinnig – komischerweise werde ich auf dem Lastenrad bei der exakt gleichen Handlung schief angeguckt: „das könntest Du doch auch mit einem normalen Fahrrad machen“ (Hinweis: deswegen braucht nicht jeder Einwohner ein Lastenrad, sondern nur jedes Quartier ein freies – Dein Lastenrad.
Zu 5. Wenn man andere Formen der Mobilität fördert, entstehen dort neue Jobs. Nirgends steht geschrieben, dass x Prozent in der Automobilindustrie arbeiten müssen. Und auch hier fehlt der Verweis auf einen weiteren Teil der Großen Transformation: die Art zu wirtschaften. Arbeitsplätze gehen vor allem durch Konzerne (und nicht durch neue Technologie) verloren (vgl. Möbelriesen vs. Schreiner oder Agrarindustrie vs. Landwirte). Außerdem stellt sich langsam die Frage, ob wir überhaupt noch so viel arbeiten müssen, wie bisher, wenn Maschinen und Software uns immer mehr Arbeit abnehmen. Es geht dann um die Frage, wie Betriebsmittel und Ressourcen verteilt werden (zentral vs. dezentral, Konzern vs. Bürgergenossenschaft, Profitgut vs. Gemeingut).
Übrigens: Matthias Gastel hat sich erst kürzlich anhören müssen, was sein Ministerpräsident vom Umstieg auf E-Autos hält:
Meine Kritik lässt sich sicherlich weiter ausformulieren und belegen. Es geht mir aber hier nicht um die Details, sondern um die Tatsache, dass die bisherigen und aktuellen Volksvertreter es nicht auf die Reihe kriegen können oder wollen. Der Deutschlandfunk zitiert Auto-Papst Ferdinand Dudenhöffer wie folgt: „die Schuld an der Situation trage die Politik, die aus Rücksicht auf die Hersteller seit 2010 Abmahnungen der EU-Kommission beiseite geschoben habe. Nun würden anstelle der Politiker die Richter entscheiden müssen.“
Sind unsere Politiker derart von der Automobillobby umgarnt, dass sie solche Gastbeiträge schreiben und analog handeln? Oder haben sie das Thema und die Relevanz schlicht nicht verstanden? Wie eingangs geschrieben – die fünf Gründe für die Verkehrswende sind ja nicht verkehrt. Dann kommt aber nur noch Auto, Auto, Auto. Leute, die Angst vor Fahrrädern haben und/oder glauben, dass mehr Platz für Autos den Verkehr flüssiger macht (Auflösung: das macht Autoverkehr nur attraktiver und damit wieder zäher – das ist Verkehr, der verlagert sowie neu generiert wird), reden dann gerne von Dogma oder Ideologie. Aber wie nennt man es denn bitte, wenn man ein Thema richtig beginnt und dann bei dem stehen bleibt, das einem gefällt und den Rest ausblendet, und einfach nur falsch weitermacht?
Ja. Ihr habt keine Ahnung. Oder Ihr seid pervers dreist. Sucht es Euch aus! Und grün seid Ihr nicht.